“Wir geben erst auf, wenn Sie zufrieden sind”. Auf den ersten Blick steht diese Aussage im Gegensatz zu wirtschaftlichem Handeln. Bei genauerer Betrachtung kann sich dieser Widerspruch jedoch auflösen, denn das Qualitätsversprechen eines Angebots kann in heutiger Zeit sinnvoller sein, als die Orientierung an einer Effizienz-Regel, die einen dem unerbittlichen Konkurrenzdruck aussetzt und nur dann erfolgreich sein lässt, wenn man über entsprechende Strukturen verfügt, um auch wirklich preisgünstig anbieten zu können. Mindere Qualität führt zu Unzufriedenheit: Aufgrund solcher schlechten Erfahrungen zeigen Kunden vermehrt die Bereitschaft, entsprechend höhere Preise zu bezahlen. Es kann sich also durchaus rechnen, solche gesteigerten Kundenansprüche, trotz dazu notwendigem erhöhten Aufwand, zu befriedigen.
Was besagt die Regel?
Ausgehend von 100% Input, der zu 100% Output führt, besagt diese Regel, dass 80% des Outputs bereits mit 20% des Inputs realisiert werden kann. Für die fehlenden 20% des Outputs werden dann die restlichen 80% des Inputs benötigt. Mit anderen Worten, während sich eine halbwegs zufriedenstellende Lösung mit einem relativ geringen Ressourceneinsatz erreichen lässt, benötigt die perfekte Umsetzung einer Aufgabe einen relativ gesehen sehr viel höheren Ressourceneinsatz.
Wer stellte sie auf?
Die 80-20er Regel wurde von Vilfredo Pareto aufgestellt, ein Ökonom und Soziologe der 1848 in Paris geboren wurde. Er zählt zu den Bergründern der Wohlfahrtsökonomik und ist unter den Volkswirten als sogenannter Neoklassiker einzuordnen.
Wann wurde sie aufgestellt?
Eine von Pareto im Jahre 1896 durchgeführte Untersuchung über die Verteilung von Reichtum und Einkommen in England veranlasste ihn, diese Regel aufzustellen. Denn er fand dabei heraus, dass ca. 20% der Familien über ca. 80% des Vermögens verfügen. Aus dieser Erkenntnis, dass die Einkommensverteilung keiner Normalverteilung entspricht, sondern meist ungleich ist, leitete er diese Regel ab, die in der Literatur auch als Pareto-Prinzip oder Pareto-Effekt bezeichnet wird.
Was spricht dafür?
Die 80-20er Regel entspricht dem wirtschaftlichen Denken, dementsprechend man sein Handeln derart ausrichten sollte, um mit minimalstem Ressourceneinsatz ein vorgegebenes Ergebnis erzielen bzw. mit vorgegebenen Mitteln ein maximales Ergebnis erreichen zu können. Dieses ökonomische Prinzip beschreibt also zunächst einmal effizientes Handeln, an welchem man sich orientieren sollte, möchte man erfolgreich sein. Denn dadurch erlangt man ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Die Tatsache, dass die Konkurrenz sich an diese Regel hält, lässt einem oftmals auch keine andere Möglichkeit als sich daran zu orientieren. In Bereichen, in denen Angebote leicht vergleichbar sind, ist der Preis eben oftmals das entscheidende Kriterium für den Erfolg. Wenn man sich in einem solchen Bereich befindet, hat man kaum Möglichkeiten durch die Nichtbeachtung dieser Regel einen höheren Preis zu erzielen, es sei denn, man schafft dadurch einen Mehrwert, der dann wiederum die Vergleichbarkeit mit anderen Angeboten erschwert.
Generell sollte man den Einsatz eigener Ressourcen nach der Einhaltung der 80-20er Regel überprüfen, um zu verhindern, dass diese nutzlos verschwendet werden.
Was spricht dagegen?
Es gibt jedoch auch Überlegungen, die dazu führen können, dass man sich gegen diese Regel verhält: Stellt man beispielsweise fest, dass sich alle Konkurrenten an diese Regel halten, kann man sich durch deren Nichtbeachtung anders am Markt positionieren, mit höherer Qualität, also mit 100%-Lösungen, und entsprechend höheren Preisen. Diese Chance besteht vor allem dann, wenn es Kunden gibt, die bereit sind für bessere Qualität auch mehr zu bezahlen.
Unter Umständen kann man das bewusste nicht einhalten dieser Regel sogar eine Marktnische finden, in der man sich breit machen kann, denn die Konkurrenz verhält sich ja regelkonform und hat deshalb kein Angebot für ein solche Nische. Dabei ist aber immer die Preiselastizität der Kunden im Auge zu behalten: Ist diese unelastisch, ist man gut beraten sich am Pareto-Prinzip zu orientieren, um einen konkurrenzfähigen Preis anbieten zu können.
Richtet sich ein Angebot an eine qualitativ anspruchsvolle Zielgruppe, die auch gerne bereit ist für ein besseres Angebot etwas tiefer in die Tasche zu greifen und mehr Geld dafür auszugeben, dann birgt die Ausrichtung an der 80-20er Regel die Gefahr in sich, diese potentiellen Kunden gar nicht erst erreicht zu können.
Beispiel
Das folgende Beispiel veranschaulicht das Für und Wider der 80-20er Regel für Unternehmungen im Web:
Texte können im Internet auf zwei Arten geschrieben werden: Zum einen so, dass sie ohne großes Überlegen, frei von der Hand, ohne jegliche Planung oder Verbesserung geschrieben werden. Zum anderen lassen sie sich aber auch planen, mit ausgewählten Formulierungen sowie passenden Metaphern versehen und abschließend auch noch korrigieren.
Die erste dieser beiden Möglichkeiten entspricht der Anwendung der 80-20er Regel, da mit wenig Aufwand (20%) ein verständlicher Text und damit bereits 80% des Ziels erreicht werden. Wollte man aber einen perfekten Text schaffen (also 100% des Ziels erreichen), dann müsste man wesentlich mehr Aufwand in das Nachdenken über die darin verwendeten Formulierungen oder in dessen Korrektur stecken, nämlich die restlichen 80% der Ressourcen. Dies entspräche dann der zweiten der beiden dargestellten Möglichkeiten.
Wichtig ist es, die Regel nicht isoliert zu betrachten, sondern im Kontext zu sehen: Welches Angebot beinhaltet der Text? Wie setzt sich die Zielgruppe zusammen und welche Erwartungen und Preisbereitschaft hat sie?
Handelt es sich um ein Angebot, dass sich an eine Zielgruppe mit geringem Bildungsgrad richtet und dessen Inhalt sich stark auf Fakten bezieht, kann man es sich sicherlich leisten, keinen größeren Wert auf sprachlichen Ausdruck oder Rechtschreibung zu legen. Vielleicht erreicht man ja dadurch die Zielgruppe sogar besser, da diese sonst die Texte als zu akademisch einschätzen würde und sich damit nicht identifizieren könnte.
Soll dahingegen eine Zielgruppe mit höherem Bildungsgrad angesprochen werden, und besteht der Textinhalt nicht nur aus reinen Fakten sondern Gedanken, die zum Leser transportiert werden sollen und zu deren Ankunft ein gewisses Maß an Glauben und Vertrauen dem Schreiber gegenüber vorausgesetzt werden muss, dann ist nicht davon auszugehen, dass man mit einem solchen 80-20er Angebot bei dieser Zielgruppe punkten kann. Ein solcher Text würde bei diesen Adressaten wohl eher zu Aussagen führen wie “was kann der mir schon erzählen, der ist ja noch nicht mal in der Lage gute Texte zu schreiben.”
Fazit
Die 80-20er Regel zu kennen, ist enorm wichtig, denn diese Regel gilt als Maxime für wirtschaftliches Handeln, auch wenn das Zahlenverhältnis lediglich die grundlegende Idee wiedergibt und nicht auf die Goldwaage zu legen ist. Sie sollte stets zur Ausrichtung des eigenen Handels herbeigezogen werden; jedoch darf sie nicht unüberlegt angewendet werden, denn stets ist der Kontext deren potentieller Anwendung zu berücksichtigen. Im Ergebnis führt das dazu, dass man sich nach dieser Regel richtet, oder sich auch bewusst dagegen entscheidet. Dies gilt nicht nur für Angebote an Kunden, sondern sollte generell für jegliches Handeln in Erwägung gezogen werden – für das persönliche Zeitmanagement oder die Priorisierung von anstehenden Arbeiten.
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